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Kawasaki Z900 vs. Yamaha MT-09

Die Nordschleife und die Swiss Alpenchallenge liefern TÖFF seit Jahren Stoff für Zoff. Dieses Mal im Gefecht: Die Mittelklasse-Nakeds Kawasaki Z900 und Yamaha MT-09.

Zwei Spielzeuge und ein Spiel, das Schräglage heisst: Im August 2017 fiel der erste Startschuss zum jährlich wiederkehrenden, härtesten Motorradtest der Schweiz. Dieses Mal mit dabei: zwei Nakeds der oberen Mittelklasse – die neue Freche von Kawasaki, die Z900, und die beliebte Yamaha MT-09. Welche bietet mehr fürs Geld?

 

Um das zu klären, räubern wir 800 Kilometer über die Nürburgring-Nordschleife und im Anschluss 2700 Kilometer über 141 Pässe auf der Swiss Alpenchallenge. Es warten Steilkurven, Tempi von bis zu 240 km/h, 480-km-Etappen, Schlaglochpisten, Rollsplitt und Tausende von Serpentinen. Doch beginnen wir zunächst mit einer Kurzvorstellung der Kontrahentinnen.

Satte 21 Kilo abgenommen

Die Kawasaki Z800 ist tot … es lebe die Z900. Seit dieser Saison ziert die neue 900er die Kawasaki-Modellpalette. Ihr Motor stammt von der Z1000. Der Hub ist gleich, nur die Bohrung wurde verkleinert. Ein gelungener Coup, denn anders als die 800er hat die 900er schon in unteren Drehzahlen mächtig Schmackes und ab Schritttempo schnurrt der Sechzehnventiler anstandslos rund vor sich hin. Die Z900 nimmt dazu überaus sanft Gas an und kommt daher lässig auch ohne wählbare Motormodi aus. Aber auch auf ein sinnvolles Sicherheitsfeature muss man verzichten – eine Traktionskontrolle gibts bei der Z900 nicht für Geld und gute Worte. Dafür ist das Kawa-Fahrwerk ein Gedicht. Beim Rahmen­konzept blieb im Vergleich zum Vorgängermodell Z800 nichts, so wie es war: Leichtbau lautet das Stichwort … und Stahl ist bei Kawasaki nun das neue Aluminium. Der Gitterrohrrahmen ist in Akashi en Vogue. Mit Erfolg: Gegenüber der Z800 hat die 900er um satte 21 Kilogramm abgenommen!

Jetzt voll einstellbare Gabel

Hintenrum neu, vornerum anders – bei der Modellpflege der Yamaha MT-09 konzentrierte man sich zunächst einmal auf optische Modifikationen, z.B. ein progressiveres Design, eine neue LED- Frontmaske und ein knapper geschnittenes Heck mit neuem Kennzeichenhalter. Die wichtigsten Fortschritte für die Saison 2017 sind aber zweifellos der monodirektionale Schaltassistent – die MT-09 lässt sich jetzt ohne Kupplung hochschalten – und die nun voll einstellbare Gabel (Hinterraddämpfer in der Federvorspannung und Zugstufe). Eine wesentliche Änderung erfuhr dazu noch das Motormanagement, welches nun endlich in allen drei Fahrmodi (A, STD, B) mit harmonischer Gasannahme überzeugt. Die Ergonomie der Yamaha fällt gegenüber der Kawasaki durch eine entspannte und vorderradorientierte, aufrechte Sitzposition auf.

Durch die grüne Hölle

Wer durch die Hölle will, muss verdammt gut fahren. Auf der 20,8 Kilometer langen Nordschleife geht es mit TÖFF in Sachen ­High Speed seit nunmehr 13 Jahren zur Sache. Antoniusbuche: Wie von der Tarantel gestochen, stürmt die MT-09 los … Hatzenbach, Fuchsröhre, Karussell … hier die Manöverkritik der Nordschleifen-Legende Alois Tost, den wir für Testrunden engagiert haben.

 

Alois: „Ich habe mir ja von der überarbeiteten Yamaha MT-09 einiges versprochen, ich dachte, tolles Motorrad, denn sie hat mir auch optisch immer gefallen. Ich bin also positiv an die Kurvenjagd auf der Nordschleife herangegangen. Man stellt aber dann sehr schnell fest, dass das Fahrverhalten der Yamaha den überaus hohen Ansprüchen der Strecke hier nicht genügen kann. Speziell die Hinterraddämpfung vermiest einem bei steigendem Speed immer mehr die Laune. Für mich ist das auch bei einem eher günstigen Motorrad, wo die Kon­strukteure nicht nur Premium-Komponenten verbauen können, vollkommen unverständlich. Denn man schaffte es doch schon vor 20 Jahren, Dämpfer­elemente zu bauen, die die gesamte Spreizung von Komfort bis zum sportlich orientierten Fahren gut abdecken konnten. Warum da immer wieder Fehlgriffe gemacht werden – und das ist ja nicht nur bei der MT-09 der Fall – ist mir ein Rätsel.

 

Kurz: Der Fahrspass mit der MT-09 leidet, wenn man richtig angasen will. Dann spürt man permanent Bewegungen um die Hoch- und Querachse. Nie gefährlich, aber lästig. Nicht ohne Grund scheint ja die MT-09 noch immer eines der umsatzstärksten Bikes für den Fahrwerksveredeler Öhlins zu sein. Das jedoch spricht wiederum auch für das Motorrad. Denn wäre das Konzept der MT-09 schlecht, dann würde sich wohl niemand überlegen, die MT trotz ihrer Schwächen zu kaufen, um sie anschliessend fahrwerksseitig aufzurüsten. Und es stimmt ja auch: An der Ergonomie der MT gibt es für mich nichts auszusetzen. Auch der Motor ist eine Wucht. Die Gasannahme weich und die Power aus dem Drehzahlkeller genial.“

Z900: Ein Quantensprung

Und Tost weiter: „Der Umstieg auf die Kawasaki Z900 war für mich dennoch ein Quantensprung. Hier scheint das Motto ‚Draufsitzen und Wohlfühlen‘ nahezu perfekt umgesetzt worden zu sein. Genau so stelle ich mir den sportlichen Fahrspass auf einem Naked-Bike der oberen Mittelklasse vor. Das Fahrwerks-Grundsetup passt. Straff. Da ist nichts unterdämpft. Und trotzdem ist der Komfort hoch. Nehmen wir nur die Betonkanten am Karussell (Steilkurve). Ich habe selten ein Motorrad dieser Preisklasse gefahren, welches das so souverän wegsteckt. Ergo: Dieses Motorrad deckt für mich ein viel breiteres Nutzungsband ab als die MT-09. Gut, die Yamaha drückt besser aus untersten Drehzahlen ab, aber die Kawa schiebt über den ganzen Drehzahlbereich mächtig an und legt ab 6000 Touren noch einen drauf. Mein Favorit aus der Sicht des Rennfahrers ist eindeutig die ‚Z‘.“

Kurvenräubern über 141 Pässe

Von der Nürburgring-Nordschleife geht es zur Swiss Alpenchallenge – von einer der unglaublichsten Rennstrecken zur durchgeknalltesten Pässejagd der Welt. Das Blatt wendet sich: Hier kann die Yamaha ihren druckvollen Motor und ihre langstreckentauglichere Ergonomie voll ausspielen. Denn während man sich auf der Kawasaki ordentlich zusammenfalten muss (Kniewinkel) und die Grüne bei der Kurvenhatz fleissig geschaltet werden will, um beispielsweise an der ambitioniert bewegten 12er GS des TÖFF-Lesers und Challenge Urgesteins Markus Senn dranbleiben zu können, hat die MT-09 da keine Mühe.

 

Im Gegenteil. Das Teil drückt dermassen ab, dass man dauernd damit zu kämpfen hat, das Vorderrad wieder zur Erde zurück zu zwingen. Wer gerne solo und sportlich auf Reisen unterwegs ist, sollte es daher tunlichst vermeiden, die Gepäckbrücke zu beladen. Diese ragt zu weit hinter die Radachse hinaus. Selbst bei ordnungsgemässer Beladung (max. 5 Kg) wandert der Schwerpunkt bedenklich weit nach hinten. Die MT quittiert dies mit ständigen Wheelies und Flatterbewegungen bei hohen Tempi. Besser ist es, den ganzen Krempel auf dem Soziusplatz und im Tankrucksack zu verstauen. Selbiger ist bei der Kawasaki nicht zu gebrauchen. Mickriger Stauraum, und auch ins Kartenfach passen nur Kreditkarten rein. Also heisst es, sich mit Zubehör-Hecktaschen und bei der Z900 noch zusätzlich mit einem Tankrucksack einzudecken.

Der Gewinner ist…

Der TÖFF-Stresstest zeigt auf, dass sich die Kawasaki Z900 auf der Rennstrecke gegen die Yamaha MT-09 eindeutig durchsetzen kann. Und auch auf der Swiss Alpenchallenge hat die MT aufgrund ihrer weniger gut abgestimmten Federelemente das Nachsehen. Doch die MT hat enormes Potenzial: z.B. durch ihre bessere Langstreckentauglichkeit (Ergonomie), ihre geniale Kurvenagilität, die serienmässige Traktionskontrolle, den Quickshifter und den aus niederen Drehzahlen druckvolleren Motor. Eigentlich hätte die MT-09 auf der Landstrasse das Zeug zum Sieger. Weil sich die Yamaha aber durch ihr nicht optimal gestimmtes Fahrwerk selber im Weg steht, kann sie sich auf der Pässehatz dennoch nicht von ihrer Kontrahentin absetzen.

Fazit:

Tolle Ergonomie, geniale Kurvenagilität, druckvoller Motor: Die Yamaha MT-09 hat ein sehr hohes Spasspotenzial, sowohl auf der Rennstrecke, aber besonders auf der forcierten Pässehatz. Sie verspielt dieses jedoch aufgrund von Fahrwerksschwächen. Die Kawasaki überzeugt da in allen Belangen, jedoch ist ihr Ergonomielayout für Langstrecken nicht ideal. Insbesondere der spitze Kniewinkel machte die bis zu 480 Kilometer langen Etappen der Challenge zur Plackerei. Auf der Nordschleife jedoch dominierte die „Z“ ihre Kontrahentin geradezu.

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